Archiv der Kategorie: Nepal (Frühjahr 2019)

Als Volontärin im Rainbow Children Home, Pokhara

Hilfe für Kinder und ihr Heim

Letztes Jahr hatte ich bereits das Yatra Kinderheim in Kathmandu besucht, das vor einigen Jahren von Maddy und Suren gegründet wurde. Heute sind wir für den späten Nachmittag dort mit ihnen verabredet. Suren wollte uns mit seinem kleinen alten Auto eigentlich beim Hotel abholen. Das konnte ich ihm aber ausreden und wir fuhren mit dem Taxi ins nördlich gelegene Stadtviertel Golfutar. Der Fahrer lässt uns im Zentrum raus und ich rufe Suren an. Mit Hilfe des Gemüsehändlers neben mir erfährt Suren, wo genau wir stehen und wenige Minuten später kommt er uns zu Fuß entgegen. Das Haus, das sie für rund 600 Euro für das Kinderheim angemietet haben, ist nur wenige Gehminuten entfernt.

Wir werden von Maddy und zwei Kindern, die uns den Freundschaftsschal umlegen und uns mit einer kleinen Verbeugung und einem freundlichen „Namaste!“ begrüßen, empfangen.

Derzeit wohnen 12 Kinder hier, einige der Großen, die letztes Jahr noch hier waren, haben ihre Schule beendet und sich selbstständig gemacht. Annette hat jede Menge Süßigkeiten mitgebracht, die wir den Kindern nun schenken. Maddy und Suren freuen sich über unsere Spenden fürs Heim. Danke an dieser Stelle an Regina!

Zwei der Kinder lernen übrigens Deutsch und unterstützen Suren bei seinen Zählübungen. Eins, zwei drei sind übrigens für Anderssprachige sehr schwer auszusprechen. Vor allem die Zwei hat es in sich.

Nachdem die finanzielle Unterstützung durch das österreichische Paar, das Yatra Nepal überhaupt initiiert hatte und in dem sozial engagierten Musiker Suren einen lokalen Partner gefunden hatte, beendet wurde, ist die finanzielle Situation prekär. Hatte Suren noch bis vor kurzem ein kleines Gehalt von rund 200 Euro im Monat bekommen, arbeiten beide nunmehr völlig unentgeltlich. „Was sollen wir denn tun? Wir können doch die Kinder nicht im Stich lassen.“


Im Yatra Nepal Kinderheim haben sie weitaus mehr als ein Dach über dem Kopf. Sie haben mit Maddy und Suren Ersatzeltern gefunden, die sie liebevoll betreuen, sie bekommen eine Schulausbildung, sie haben einen Lebensstandard, der ihnen regelmäßiges Essen sowie saubere und gesunde Wohnverhältnisse bietet. Yatra ist das nepalesische Wort für Reise, „eine Reise vom Dunkel ins Licht“, wie es Suren poetisch formuliert.
Dringend gesucht werden also Paten für die Kinder (jeder Betrag ist willkommen) oder Sponsoren ganz allgemein. Weitere Infos gibt es auf Facebook unter Yatra Nepal oder unter http://yatranepal.org.np und natürlich bei mir.

Am 31. März gibt es im Jazzclub Hirsch in Moosburg ein Benefizkonzert für Yatra Nepal. An der Gitarre: Suren Lama.

Ein königlicher Tag

Eine Königgstadt, der König des Joghurts und die besten Momos von ganz Nepal, die man dann wohl ebenfalls königlich nennen darf – das alles zusammen hat uns einen wirklich königlichen Tag beschert.

Begonnen hat er in Bhaktapur, der 15 km östlich von Kathmandu gelegenen früheren Königsstadt, die mit einer Vielzahl von kleinen Gässchen, großartigen Tempeln und einem großen Töpfermarkt unter freiem Himmel aufwartet. Die Spuren der Zerstörungen durch das Erdbeben von 2015 sind hier leider noch unübersehbar.


Laut Suren gibt es hier in Bhaktapur den allerbesten Joghurt überhaupt, quasi den „King of curd“ und es dauert nicht lange, bis jeder von uns ein tönernes Schälchen vor sich stehen hat. Und noch eins, und noch eins. Er hat wirklich nicht übertrieben. So gut ist er, dieser Joghurt! Cremig und würzig. Hmmmm. (Sorry, für das schlechte Foto. Da ist wohl die Begeisterung fürs Essen mit mir durchgegangen.)

Unser zweites Ziel am heutigen Tag ist Pashupatinath, die Verbrennungsstätte der Hindus, mit einem der weltweit bedeutendsten Hindu-Tempel, dessen Besuch uns leider verwehrt ist, da wir keine Hindus sind. Wohl aber können wir vom gegenüberliegenden Flussufer einen Blick von außen erhaschen und den Söhnen und männlichen Verwandten bei ihrer traurigen Tätigkeit der Verbrennung ihrer Verstorbenen zuschauen.

Zuletzt steuern wir, gemütlich von Suren chauffiert, die 40 m hohe Stupa von Boudanath an, mein Lieblingsplatz in Kathmandu, den ich jedesmal besuche, wenn ich hier bin. Viele Pilgerinnen und Pilger umrunden die riesige Stupa flotten Schrittes, murmeln Mantren oder Gebete, drehen die Gebetsmühlen und der eine oder andere zückt auch mal das Handy für ein schönes Bild.

Ehe wir uns ins Getümmel stürzen, setzen wir uns erst einmal auf eine Dachterrasse und Trinken Kaffee, Aug in Aug mit Buddhas Auge.

Zu späterer Stunde gibt es noch den beliebten Rumpunsch, heißer Rum mit verschiedenen Gewürzen wie Stetnanis, Zimt oder Kardamom und Nelken.

Dann drehen auch wir unsere Runde und die Gebetsmühlen und lassen den Tag bei den besten Momos von ganz Nepal, so sagen es jedenfalls Maddy und Suren, ausklingen. Da wir nicht genügend Vergleiche haben, wissen wir nicht, ob das stimmt, aber es sind jedenfalls die besten, die wir je hatten.

Busride to Kathmandu

Bereits um fünf liege ich wach im Bett. Ich döse noch ein bisschen, mache mir Gedanken, wie ich mein ganzes Gepäck am besten verstaue, stehe schließlich auf, um zu duschen. Es gibt aber kein Wasser. Gut, dass ich den Eimer am Vorabend gefüllt hatte, so dass ich wenigstens eine Katzenwäsche machen kann.

Ich trage unsere Koffer und Rucksäcke hinunter, nehme Abschied von Ann aus Dänemark, die seit ein paar Tagen als Volontärin hier ist, und meinem Zimmer, in dem ich mich nach insgesamt drei Monaten richtig heimisch fühle.

Moti, der Fahrer des Kinderheims holt uns freundlicherweise ab und bringt uns zum Busbahnhof. Eigentlich wollten wir ein Taxi nehmen, das ist aber heute schwierig, denn gestern wurde ganz spontan ein Generalstreik für das ganze Land ausgerufen. Streikbrecher sind hier gar nicht gern gesehen, mit ihnen geht man angeblich so rabiat um, dass viele nicht zur Arbeit gehen oder ihre Geschäfte schließen, um keinen Ärger zu bekommen. Wir haben zum Glück einen Touristenbus gebucht, der heute fährt.

Der Busbahnhof ist ein großer übersichtlicher Platz, der von kleinen Cafés gesäumt ist. Alles ist entspannt. Wir kaufen uns noch ein kleines Frühstück und gegen acht geht es los.

Der Bus ist nur teilweise besetzt, die Sitze sind komfortabel, man hat genügend Beinfreiheit. Was meine Reisefreude trübt: meine Stimme ist plötzlich völlig weg. Ich kann nur noch flüstern. Das ist ein bisschen unheimlich, aber mir bleibt nichts anderes übrig als im wahrsten Sinne des Wortes ganz ruhig zu bleiben. So dösen wir vor uns hin oder schauen aus dem Fenster.

Irgendwann wird die Klimaanlage angestellt und der junge Busbegleiter geht rum und öffnet alle Lüftungen. Wir geben ihm zu verstehen, dass uns das zu kalt ist. Man kann unsere Lüftung zwar nicht abdrehen, aber mit ein wenig alter Zeitung leicht Abhilfe gegen die Zugluft schaffen.

Insgesamt sind wir sechs Stunden unterwegs. Die Strecke beträgt rund 200 Kilometer. Es geht langsam vorwärts, weil die Straße sehr holprig ist, Bodenwellen und Schlaglöcher, und meistens einspurig. Wegen des Streiks sind heute recht wenig Autos unterwegs, so dass wir aber gut vorankommen.

Mehrmals gibt es einen kurzen Stop zum Pieseln, Essen und Trinken. Ich habe keinen rechten Appetit, trinke aber jedes Mal eine heiße Zitrone mit Honig, was mir guttut.

Gegen 14 Uhr erreichen wir Kathmandu. Endstation unseres Busses ist leider nicht wie erwartet der Busbahnhof sondern eine Straße in der Nähe. Mit Hilfe der Geschäftsfrau, vor deren Laden wir mit unseren Koffern stranden, gelingt es uns, Freund Suren zu erklären, wo wir stehen und auf ihn warten.

Suren und seine Frau Maddy habe ich vergangenes Jahr hier in Kathmandu kennengelernt. Zwischenzeitlich waren sie bei uns in Deutschland zu Gast und in den nächsten drei Tagen werden sie uns ihre Stadt zeigen.

In Sam’s One Tree Café probieren wir Leckereien aus der newarischen Küche, einer nepalischen Volksgruppe, die vor allem im Kathmandutal angesiedelt ist.

Meine Stimme hat sich einigermaßen erholt, so dass ich mich sogar an der Unterhaltung beteiligen kann. Wir schmieden Pläne für die nächsten Tage und ich freue mich auf die kommende Zeit hier in Kathmandu.

Blick auf den Himalaya

Näher werden wir dem Himalaya auf dieser Reise nicht kommen. Wir sind am Mittag mit Bus und Taxi auf den rund 1500 m hohen Sarangkot gefahren, von dem wir einen prächtigen Blick auf Pokhara und den Fewasee haben. Wir genießen ihn von der Dachterrasse der Himalaya Crown Lodge, in der wir für 15 Euro ein schönes Zimmer gemietet haben. Genau: zwei Zimmer, denn Annette beschwerte sich über mein Schnarchen.

Am Nachmittag nutzen große Greifvögel die Thermik und kreisen direkt vor unserer Lodge. Der Besitzer erzählt, dies seien Annapurnaadler, so um die 200 Vögel normalerweise.

Gegen sechs steigen wir über die Treppen, die von weiteren Lodges, kleinen Restaurants und Andenkenständen gesäumt sind, hoch zur Aussichtsterrasse. Leider sind, wie so oft, die hohen Berge fast ganz in Wolken. Nur der Annapurna 3 mit seinen 7 500 m lugt ein wenig hervor.

Im Westen färbt die untergehende Sonne die Hügelrücken rötlich. Wir gehen zurück zum Hotel und genießen das gute Everest-Bier, unser Abendessen (Momos und Egg Curry) und den Blick auf die Lichter im Tal. Die Stille um uns herum, die Sterne und der liegende Halbmond bezaubern uns, als wir später aufs Zimmer gehen.

Um viertel vor sechs klingelt der Wecker, damit wir den Sonnenaufgang nicht verpassen. Außer Atem von dem ungewohnten Treppensteigen in aller Früh erreichen wir die Plattform – gemeinsam mit etwa zwei Dutzend anderen staunenden Touristen.

Ich kenne das Schauspiel schon aus den Vorjahren: wenn im Osten die Sonne aufgeht, taucht sie in wenigen Minuten die westlich gelegenen Bergspitzen in zartes Rosa, das sehr schnell in leuchtendes Gelb übergeht. Wir haben ziemliches Glück mit dem Wetter. Zwar ist die Luftfeuchtigkeit recht hoch, aber die 7000er und 8000er des Annapurnagebirges liegen sollen drei vor uns. So schön!

Es ist erst halb acht, als wir wieder in unserer Lodge sind. Die Sonne scheint und wir frühstücken auf der Dachterrasse. Schon bald ist es so warm, dass wir unsere Jacken ausziehen können.

Ich entscheide mich, zu Fuß nach Pokhara zurückzugehen und genieße den zweistündigen Abstieg, bei dem ich ganz allein durch Felder und Wald gehe, und nur ab und zu an ein paar Häusern vorbeikomme. Es ist ganz still, nur die Freudenjauchzer der Paraglider über mir, Vögel und das Rauschen der Blätter sind zu hören.

Heute ist mein letzter Tag in Pokhara. Ich bin froh, dass ich dieses Jahr wiedergekommen bin. Was die Zukunft bringt, werde ich sehen.

Morgen früh um sieben geht unser Bus nach Kathmandu.

See you next time!

Nach Gomas Dankesrede will ich mit einer kurzen, geschliffenen Antwort über meine Zeit im Rainbow Children Home sprechen, meine Verbundenheit und meinen Dank für die gemachten Erfahrungen zum Ausdruck bringen (habe ich ja schließlich gelernt und die vergangenen zwölf Jahre auch eifrig geübt), doch dann kann ich nur noch aufstehen, ein „Thank you all! Thank you so much!“ rausbringen und schon kullern die Tränen und meine Erkältung schlägt gnadenlos zu und lässt mich nur noch krächzen.

Begonnen hat die Farewellparty für Annette und mich mit 600 Momos, kleinen ravioliähnlichen Teigtaschen, die mit Gemüse, Huhn oder Rind gefüllt werden. Ich hatte einige Tage zuvor die Kinder gefragt, ob sie lieber Pizza oder Momos wollten. Die Abstimmung durch Lautstärke brachte ein klares Ergebnis.

Danach beginnt der offizielle Teil: Goma bedankt sich für unser Engagement, für unsere Unterstützung, gibt uns das rote Segenszeichen Tikka auf die Stirn und hängt uns den traditionellen Freundschaftsschal und eine Blumenkette um den Hals sowie als zusätzliche Geschenke eine Kette und einen weiteren Schal.

Nach meiner missglückten Dankesrede bringe ich nur noch raus: “ Let’s dance and have some fun!“

Sudip baut schon draußen im Hof die Boxen auf und koppelt sie mit seinem Smartphone. Ich entdecke Marmita, die draußen auf den Stufen sitzt und weint. Ich nehme sie in den Arm und als die ersten Tänze vorgeführt werden, beruhigt sie sich wieder und klatscht schließlich wie alle anderen begeistert mit. Kurz zuvor hatten sie und Dipsikak mir zwei kleine Liebesbriefchen voller Herzchen und “ I love you!“ zugesteckt.

Als die Jungs sich auf den Stufen aufbauen und noch ein Abschiedslied singen, weiß ich, es ist Zeit, nochmal alle zu drücken und sich zu verabschieden. Nachdem ich den ganzen Tag über gefragt worden war, ob ich nächstes Jahr wiederkäme, ich es aber nicht versprechen konnte, tönt mir nun von allen Seiten ein pragmatisches, hoffnungsfrohes „See you next time!“ entgegen.

Die Tränen kullern schon wieder…

Grandmother’s brother’s daughter in law

Natürlich muss Freundin Annette auch die Farm gezeigt werden und so fahren wir um zehn am Morgen los. Diesmal erlebe aber auch ich neues dort. „Hast du schon unseren Unterstand für die Büffel gesehen?“, fragt mich Goma. Sie möchte 10 bis 12 Tiere anschaffen, um Milch fürs Heim und zum Verkauf zu bekommen. Einer kostet ca. 1000 Dollar. Sie hat das Geld noch nicht beisammen, blickt aber wie immer optimistisch in die Zukunft.

Wir fahren also an der Farm vorbei und rumpeln mit dem Auto noch ein paar Windungen weiter den Hügel hinauf, bis wir den Bauplatz erreichen.

Kaum sind wir dort, stößt eine alte Dame zu uns, die Goma freudig begrüßt. Sie wird uns als Grandmother’s brother’s daughter in law (Schwiegertochter des Bruders des Opas von Goma) vorgestellt, die hier ganz allein in einem kleinen Häuschen im Dschungel lebt und sich jedes Mal freut, wenn Goma kommt und Zeit für einen kleinen Plausch findet.

Genauso geht es einer anderen alten Frau, deren Kinder vor Jahren in die Stadt gezogen sind. Sie bekniet Goma, nicht zum ersten Mal, ihr doch ein winziges Zimmer auf der Farm zu bauen, damit sie nicht so allein ist. Der Staat unterstützt die Alten mit einer Art Grundrente in Höhe von 2000 Rupien. Das sind umgerechnet ca. 18 Euro.

Später erzählt Goma uns, dass es heute viele solche Fälle von allein lebenden alten Frauen gebe. Die Landflucht bei den Jungen ist groß, die Ehemänner häufig schon verstorben.

Grandfather’s brother’s Daughter in law hat uns einige nepalesische Köstlichkeiten mitgebracht, die wir zum Tee probieren: Milchreis, gebackene Kringel, die an Schmalznudeln erinnern und Kasar, frittierte und kandierte Reisbällchen. Lecker.

Danach machen wir einen Spaziergang und ich sehe zum ersten Mal etwas von der näheren Umgebung. Mitten durchs Gelände zieht sich eine sehr dekorative Felszunge, die in der Monsunzeit mit kleinen Wassergumpen durchsetzt ist. Viel Spaß für die Kinder, wenn sie in den Ferien mit Goma die Farm besuchen dürfen.


Erstmals sehe ich heute aus der Nähe die letztjährige Anpflanzung von Bäumen. Rund 2500 Obst- und andere Laubbäume wurden in einer großen Aktion in die Erde gebracht.


Der Kardamom, neben dem Goma hier steht, wurde leider schon vor fünf Monaten geerntet. Schade, ich hätte ihn gern mal an der Pflanze gesehen.

Haremaia, die Großmutter vom kleinen Sushil, der im Kinderheim lebt, habe ich letztes Jahr schon kennengelernt. Da war sie im Kinderheim für den kleinen Garten nebenan zuständig. Jetzt lebt sie hier auf der Farm als Hausmutter und hilft natürlich auch auf dem Feld mit.

„Eva!“, ruft sie mich leise und winkt mich in die Küche. Sie brauche neue Schuhe! Flip Flops wären schön. Ob ich ihr vielleicht welche besorgen könne. Die Tüte für sie haben wir gleich am Nachmittag gepackt. Schöne rote Flip Flops, damit sie auch zu ihrer farbenfrohen Kleidung passen, angereichert durch drei bunte Armreifen, die Annette ihr gern schenken möchte und drei kleine Schokoriegel. Sushi weiß schon Bescheid, dass er heute ein Geschenk für seine Oma bekommt, das er ihr bei nächster Gelegenheit geben muss.

Von See zu See

Ich bin eine Wiederholungstäterin. Gern fahre ich (mindestens zweimal hintereinander) ins selbe Land, gehe hier in dieselben Restaurants wie letztes Jahr oder mache die gleichen Ausflüge. Heute war es wieder so weit: an unserem freien Tag sollte es wieder einmal eine Fahrt zum Begnassee sein.

Der Bus, mit dem wir nach einem gemütlichen Frühstück am See in Pokhara losfahren, beschreibt treffend das Motto unseres Ausflugs: vom Fewasee zum Begnassee.

Heute ist das Wetter allerdings um einiges schöner als vergangenes Jahr. Zwar haben wir wieder keinen Blick auf den Himalaya, aber zumindest scheint die Sonne, es ist warm und die Hügel um den See herum sind in ein warmes Licht getaucht.

Vergangenes Jahr war alles Grau in Grau und außer mir kaum ein Mensch unterwegs.

Das schöne Wetter verlockt uns zu einer Bootsfahrt. Wir mieten ein Boot und lassen uns eine Stunde lang über den See rudern.

Im Gegensatz zum Fewasee in Pokhara ist es hier am Begnassee sehr beschaulich. Es gibt nur eine kleine Geschäftsstraße ohne viele Souvenirläden, ein paar Kaffeebuden und einige wenige Restaurants. Wir landen im selben wie letztes Jahr und, ja, ich gestehe: ich esse sogar das gleiche. Ist aber kein Wunder, hier ist Fisch einfach fangfrisch und sehr empfehlenswert. Auch den liebenswerten Text „Fress Fish 24 hours“ entdecke ich wieder auf der Speisekarte.

Für musikalische Umrahmung sorgt ein freischaffender Musiker, der uns ein Lied über den Begnassee mit klarer Stimme vorträgt und auf seiner Sarengi, einer Art Geige, die er selbst gebaut hat, vorträgt. Sehr anrührend. Und: es war nicht derselbe wie vergangenes Jahr.

Freuden des Touristenlebens: Ausflug zur Friedenspagode

Seit Freitag ist Freundin Annette hier und wir finden erst heute die Zeit für einen Ausflug. Die letzten vier Tage hatte zumindest ein Teil der Kinder schulfrei (gestern beispielsweise haben die Lehrer unserer staatlichen Schule gestreikt und wir waren mit den Kindern im Park), so dass wir immer schwer beschäftigt waren.

Heute endlich geht das Volontärsleben mal wieder seinen geregelten Gang und das bedeutet, dass wir von zehn bis drei frei haben. Das Wetter ist prima, schon am frühen Morgen habe ich von meinem Balkon aus den „Fishtail“, Machapuchre, gesehen. Deshalb nichts wie los zur Friedenspagode, von der aus man einen tollen Blick auf die Annapurnakette hat.

Leider steigen gegen halb 12 Uhr schon wieder viele Wolken auf, dennoch genießen wir den prächtigen Blick auf See und Berge.

Natürlich sieht man von hier oben auch gut auf Pokhara hinunter und ermisst die Größe der zweitgrößten Stadt in Nepal.

Wir umrunden die Stupa dreimal, wie es sich gehört.

Am Nachmittag kommen wir unseren üblichen Pflichten nach: holen die Kleinen von der Schule ab, essen mit ihnen, spülen Geschirr und helfen ihnen bei den Hausaufgaben. Der Lärmpegel ist dabei immer recht hoch, was die Sache für uns anstrengend macht.

Am Abend wartet dann noch ein Highlight auf uns: ein Besuch im Moviegarden. Das ist an sich schon immer etwas besonderes, heute aber erst recht, denn ich habe Goma, ihre Tochter und Schwiegertochter sowie ihre Schwägerin dazu eingeladen. Keine von ihnen war je hier. Mit dem speziellen Ambiente dieses Freiluftkinos und dem amerikanischen in Indien spielenen Roadmivie „The Darjeeling Limited“ war der Abend ein voller Erfolg.

Shivas Geburtstag

Shiva ist einer der Hauptgötter des Hinduismus. Das Wort stammt aus dem Sanskrit und bedeutet “ Glückverheißender“. Heute ist sein Geburtstag, Shivaratri, ein wichtiger Feiertag. Und da ist natürlich wieder schulfrei.

„Happy Shivaratri!“, rufen mir die Kinder zu, als ich morgens um acht ins Heim komme. Noch vor dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zum Tempel.

Der Spaziergang dauert etwa 20 Minuten und ich bin jedes Mal begeistert, wie gut sich die Kinder im Verkehr verhalten. Die Kleinen fassen einander an den Händen, gehen zu zweit nebeneinander am Straßenrand her. Immer wieder schön anzusehen, dass die Kinder auch gut aufeinander aufpassen.

Im Tempel ist Hochbetrieb, so dass wir uns darauf beschränken, uns ein Tikka in einem kleinen Nebentempel zu holen und Fotos zu machen. Beides lieben die Kinder. Es ist eher das Gemeinschaftserlebnis als Religiosität ödet Spiritualität, was uns hier leitet.

Heute ist der einzige Tag im Jahr, an dem der Konsum von Marihuana nicht bestraft wird, denn Shiva war angeblich ein großer Freund der Droge. Das interessiert unsere Kleinen aber eh nicht. Wohl aber das andere Genussmittel, das zu diesem Feiertag gehört wie der Krapfen zum Fasching: das Zuckerrohr.

Im Park neben dem Kinderheim kaufen wir am Abend zehn große Stangen. Die Kinder halten sie in eines der zahlreichen Lagerfeuer, die von den Nachbarn entzündet wurden. Wenn sie die nötige Temperatur gaben, werden sie mit Wucht auf den Boden geschlagen, wo die Enden mit einem lauten Knall explodieren – was natürlich viel Spaß macht.

Zuhause werden sie in gleich große Stücke geschnitten und begeistert ausgelutscht. Happy Shivaratri!

Einjähriges

Es ist Tradition hier in Nepal, das Einjährige einer Eheschließung zu feiern. Heute vor einem Jahr haben Gomas Sohn Sagar und seine Frau Kusum geheiratet und so kamen heute Mittag rund 50 Frauen aus der Verwandtschaft, aus ihrem Freundeskreis und der Nachbarschaft zu uns ins Kinderheim. Goma hatte uns Volontärinnen bereits vor ein paar Tagen hierzu eingeladen und wir haben uns wie alle anderen auch in Festkleidung geschmissen.

Es gibt in Pokhara fünf Frauengruppen, die sich hier sozial engagieren. Zu solchen Festivitäten kommen sie und trommeln, singen und tanzen. Die Gäste geben ihnen einen (nicht eben geringen) Obolus. Das so verdiente Geld nützen sie wiederum für ihre soziale Arbeit.

Kusum ist mir in den zwei Wochen, in denen wir uns kennen, ans Herz gewachsen. Sie ist eine warmherzige, intelligente junge Frau. Nach ihrem Baachelor in sozialer Arbeit setzt sie nun noch ihren Master in Anthropologie drauf. Alle Ausflüge mit den Kindern haben wir gemeinsam durchgeführt und wir sind ein gutes Team.

Rot ist hier übrigens die Farbe für verheiratete Frauen, aber auch fürs Feiern als solches.

Irgendwann haben wir uns aus der stundenlangen Zeremonie ausgeklinkt und die Ruhe am See und einen Kaffee mit Apfelkuchen (!) genossen.

Am Abend dann gab es für die Familie und die Kinder noch eine große Hochzeitstorte – und einen Absacker in Gomas Wohnung.