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In den Pyrenäen

Es dämmert gerade, als ich wach werde. Es ist sieben Uhr. Gestern war ich todmüde und habe schon um zehn das Licht ausgemacht. Neun Stunden geschlafen, unglaublich. Wie jeden Morgen muss ich kurz überlegen, wo wir stehen und wie es um unseren Bus herum aussieht. Heute schaue ich auf Blumen und in die Berge.

Ich schnappe mir mein Handy, stelle den Rooter mit der spanischen Simcard drin an und lege mich nochmal ins Bett. Wer hat mir geschrieben? Nachrichten von meinen Lieben sind immer der beste Start in den Tag. Schließlich stehe ich auf, setze Kaffeewasser auf, wasche mich in unserem Minibad und mache Frühstück.

Wir werden uns heute der französischen Grenze nähern und für diese Reise ein letztes Mal einen spanischen Nationalpark in den Pyrenäen besuchen. Sein Name ist ein Zungenbrecher: Aigüestortes i Estany de Sant Maurici.  Aigüestortes ist Katalan und bedeutet so viel wie „gewundene Gewässer“. Der Fluss San Nicolás windet sich hier durch die Gegend. Estany de Sant Maurici ist der katalanische Name eines Sees im Park, der auf Spanisch Lago de San Mauricio heißt.

Wir steuern das Bergdorf Espot an. Es liegt auf 1300 m und ist von 2000 m hohen Bergen umgeben.

Gegenüber vom großen Parkplatz warten die Taxi-Jeeps auf Kundschaft: für fünf Euro pro Person bringen sie einen hinein in den Nationalpark zum namengebenden Stausee Sant Maurici.

Der liegt auf 1900 Metern und ist noch mit einer festen Eis- und Schneeschicht bedeckt.

An ihm entlang geht es nochmal ein Stück höher. Der Weg ist sehr gut angelegt, ab und zu gibt es matschige oder verschneite Stellen.

Nach einer halben Stunde erreichen wir einen Wasserfall. Uns zieht es noch höher hinauf.

Wir hatten diesen Winter ja noch nicht so viel Schnee.

Auf 2200 Metern liegt der nächste Stausee. Er ist kleiner aber nicht mehr zugefroren.

Runterwärts ist es etwas rutschig, aber ich habe eine stützende Hand an meiner Seite.

Der Jeep bringt uns wieder zurück, nach einem Kaffee im Dorf steigen wir um in unseren Bus und fahren Richtung Vielha. Dass wir dort nur über einen 2070 Meter hohen Pass hinkommen, hatten wir nicht auf dem Schirm.

Oben scheint die Sonne, es ist 16 Grad warm und wir beschließen, für den Abend und die Nacht hierzubleiben. Morgen früh, wenn ich wach werde, und mich frage, wo und wie wir stehen, werde ich mich wundern.

22 Tunnel

La Fontcalda (hot spring) las ich gestern auf Google Maps. Alle Bilder von den Hot Pots, den heißen Quellen, in denen ich auf Island saß, poppten vor meinem geistigen Auge auf. Da will ich hin! Freudig packe ich meine Badesachen in die Fahrradtasche.

Denn um das Ganze noch zu toppen, kann man nach Fontcalda auf einer Via verda, einer ehemaligen Bahntrasse, radeln.

Auf der 23 Kilometer langen Strecke verband der Zug in einem Seitental des Ebro fünf Ortschaften miteinander. Das ist eine Beschönigung, denn um vom Dorf zum Bahnhof zu kommen, musste man vier, fünf Kilometer laufen.

Für die Trasse wurden Tunnel in den Fels gesprengt, auf dem Rückweg habe ich 22 gezählt – und wir sind nicht die ganze Strecke, sondern nur 15 Kilometer gefahren.

Es ist 22 Grad warm und es fühlt sich so gut an, wenn ich aus dem kalten und dunklen Tunnel wieder in die Sonne fahre. Rechts und links von mir rote Felsen, mal schroffe senkrechte Spalten, mal weiche runde Gesteinsformen.

Nach zehn Kilometern der ersehnte Wegweiser zur Fontcalda. Auf einem steilen kurzen Weg sausen wir hinunter ins Tal.

In einer Schlucht sind niedrige Becken, die Fingerprobe betrübt: das ist definitiv keine HEISSE Quelle. Okay, das Wasser ist nicht eisig, auch nicht kalt, aber eben auch nicht heiß oder zumindest lauwarm. Dafür ist mir der Aufwand, die Badesachen (möglichst diskret) anzuziehen zu hoch und ich belasse es dabei, meine Füße zu baden.

Zurück am Bus machen wir die Nudeln von gestern warm und freuen uns über diese tolle Radtour – auch ohne heiße Quelle.

Dann fahren wir weiter am Ebro entlang, der sich lange Zeit seinen Weg durch die Berge fräst. Zum xten Male denke ich mir, wie schön es im Landesinneren ist und wie wenig Leute hier unterwegs sind. Alles drängelt sich am Meer, hier ist kaum einer unterwegs.

Zurück ans Meer

Wir sind zurück am Meer, zehn Kilometer südlich von Valencia, und der Frühling ist auch zurück! Für morgen ist hier mit 26 Grad sogar Sommer angesagt. Das ist hervorragend, denn unser Campingplatz liegt am Radweg in die Stadt und nach den reichlich kalten und nassen Tagen über Ostern lechzen wir nach schönem Wetter. Das ist auch der Grund, warum wir heute einen Sprung von gut 300 Kilometern nach Osten gemacht haben: beim Blick in wetteronline war klar, wo wir hinwollten.

Unser Platz auf dem Platz gewinnt keinen Preis in einem Schönheitswettbewerb, aber zumindest ist es einer. Wir wissen ja schon von den letzten Wochen (und bekommen es hier auch nochmal bestätigt), dass an der Küste alles voll und frei stehen nicht erlaubt ist. Der junge Mann, der vor unserem Bus seit einer halben Stunde akribisch den Kies recht, übt aber vielleicht tatsächlich für einen Wettbewerb.

Gestern war es auch sonnig, aber recht frisch mit zehn Grad. Wir haben uns einen gemütlichen Tag mit Lesen, Spazieren gehen und Vögel gucken im Nationalpark Tablas de Daimiel gemacht.

Heute Morgen sind wir nach dem Frühstück in die Ortschaft Daimiel gefahren und haben für frisches Gas und Internet gesorgt. Gas gibt es an der Tankstelle für 14 Euro (in Deutschland haben wir schon mal das Doppelte bezahlt, Internet im Tobaco, diesmal mit eindrucksvoller Wandbemalung.

Von unterwegs ein paar Schnappschüsse:

Wir sind gespannt auf Valencia. Eine unserer Freundinnen war gerade dort und hat tolle Fotos geschickt. Ich freue mich drauf.

Unverdrossen

Wir sind jetzt das vierte Mal hintereinander im Frühjahr in Spanien und seither fragen wir uns, was es mit diesen braunen Schildern am Straßenrand auf sich hat, auf denen Cañada steht (wir fanden es in erster Linie witzig, weil wir uns ja abends gern mal eine caña, ein kleines Bier, bestellen.

Was auch immer wir damals recherchiert haben, keine Ahnung. Gestern jedenfalls haben wir endlich die Erklärung gefunden.

„Als Cañadas Reales werden traditionelle Viehtriebstrecken bezeichnet, die durch königliches Edikt von Alfons dem Weisen im Jahre 1273 geregelt wurden“, ich zitiere Wikipedia. „Eine Cañada real musste eine Breite von 90 Ellen (= 72,22 m) haben und war durch ihre sehr langen Wegstrecken charakterisiert (mehr als 500 km) mit einem Verlauf hauptsächlich von Süd nach Nord (Sommerweide) oder Nord nach Süd (Winterweide).

Der Rückgang der Viehhaltung einerseits und der Einsatz von Futtermitteln andererseits (der den Wechsel der Weiden überflüssig machte) bewirkte, dass die Cañadas kaum noch als Viehtriften genutzt wurden. Heute werden sie eher zum Wandern und Fahrradfahren genutzt.

Wieder was gelernt.

Heute ist Ostersonntag und, Ihr wisst es ja schon, es regnet in Strömen.

Gut, dass wir unser Osterfrühstück im trockenen, warmen Bus genießen können. Wobei der Osterfladen, den wir gestern fabriziert haben, nicht sooo dolle ist. Trotz Weißmehls leicht bräunlich und etwas zu fest. Ich habe hin und her überlegt, woran das liegen kann und ein Verdacht hat sich verfestigt: vielleicht war in der namenlosen kleinen weißen Tüte, die ich verwendet habe, nicht Hefe sondern Sauerteig (den ich immer fürs Brot backen an Bord habe). Ach egal, ist trotzdem ganz schmackhaft.

Nach dem Frühstück fahren wir mal los. Inzwischen ist es Dank Somerzeit auch schon elf. Wir haben uns ganz unverdrossen ein weiteres Naturschutzgebiet ausgeguckt. Es liegt 200 Kilometer östlich von uns und die Beschreibung klingt sehr verlockend:

„Der Nationalpark Tablas de Daimiel ist ein einzigartiges Feuchtgebiet in Europa“, heißt es auf spain.info. Er ist der kleinste der 16 spanischen Nationalparks. Da er sich in der halbariden Region von La Mancha befindet, ist er eine Oase für Tiere und Pflanzen.

Und für die ist es ja gut, wenn es regnet, oder? Was uns wirklich erstaunt: wir sehen viele volle Stauseen, überflutete Felder, Flüsse, die über die Ufer getreten sind auf unserer Fahrt durchs Land. Gleichzeitig ist in anderen Gegenden Wassermangel. Könnte es vielleicht sein, dass es dem Menschen an ressourcenschonendem Verhalten mangelt?

Es ist schon drei, als wir im Nationalpark ankommen. Dort gibt es einen Stellplatz, auf dem wir über Nacht stehen bleiben dürfen. Es ist noch ein WoMo aus Stuttgart da, sonst keiner. Wunderbar.

Wie gestern kochen wir erstmal Kaffee, denn das funktioniert: es hört auf zu regnen, wir ziehen uns warm an (6 Grad!) und ziehen los.

Das Feuchtgebiet hier wurde von zwei Flüssen und von Grundwasser gespeist. Der Cigüela, der jahreszeitlich bedingt Salzwasser führt, und der Guadiana, der ein reiner Süßwasserfluss ist. Beide Flüsse durften bis in die 60er Jahre frei mändern und Flussplatten und Auen bilden. Durch unterschiedliche Niveaus gab und gibt es Dutzende von Inselchen, die ein Paradies für Tiere sind.

Das natürliche Gleichgewicht wurde Mitte der 70er mit Kanalisierungen und landwirtschaftlicher Umgestaltung heftig attackiert, so dass Teile der Flussplatten irreversibel verschwanden und der Cigüela kein Wasser mehr in das Gebiet führt.

1973 wurde die Flusslandschaft samt ihren Inselchen und Tamariskenwäldern (die einzigen Bäume hier) unter Schutz gestellt und der Nationalpark gegründet.

Nun gibt es einen kleinen Bereich, der von Gästen betreten werden darf. Hier wurden die Inseln mit Holzstegen verbunden und Vogelbeobachtungshütten errichtet.

Unmengen verschiedener Enten und Gänse tummeln sich hier, Reiher, Störche, Flamingos, Greifvögel, Schildkröten und Laubfrösche. Und Wachteln haben wir auch gehört.

Hier gibt es so viel in Ruhe zu entdecken, dass wir beschließen, morgen auch noch hierzubleiben, alles ganz ruhig angehen zu lassen und weitere Erkundungstouren zu unternehmen. Ein Ruhetag in so friedvoller Umgebung hat was.

Zwischen Wasser und Sternen

Der Cerro Masatrigo ist ein Hügel in der Extremadura.  Das besondere an ihm ist seine perfekte konische  Form und dass er nach dem Bau eines Staudamms zu einer Halbinsel mitten im Wasser des Stausees wurde.

Achim hatte das gestern Abend auf der Landkarte und im Internet gefunden und wir haben ihn als Tagesziel für heute ausgeguckt. Zum einen, weil er so schön anzuschauen ist, zum anderen, weil man auf ihn und auch auf den Gegenhügel hochwandern kann, um schöne Fotos zu machen.

Leider regnet es die ganze Fahrt über. Wir erspähen im Grau in Grau vom Auto aus Reisfelder, eine Tomatenskulptur (!?) und hübsche Dörfer.

Als wir am Stausee La Serena ankommen, regnet es, wir kochen Kaffee und verzichten auf die Wanderung. Doch während ich den Hefeteig für den Osterzopf knete, wird das Wetter besser und wir fahren Richtung Nachbarhügel.

Eine kleine Straße führt uns zu einer Friedhofskapelle mit fantastischer Aussicht auf den See. Außerdem geht von hier aus die Ruta Agua y Estrellas, der Weg zwischen Wasser und Sternen, zum Miradouro, dem Aussichtspunkt, los.

In dieser Gegend gibt es mehrere solcher Punkte. An der Kapelle sind 15 aufgezählt. Sie dienen dem „Sternentourismus“. Was wir nicht wussten: dass man am Miradouro nicht nur einen tollen Blick auf unseren Kegelberg hat, sondern dass nachts von 22 bis 24 Uhr Sternbilder auf diese weiße Scheibe projiziert werden! Wow!

Auf dem Rückweg pflücke ich einen kleinen Osterstrauß und wir beschließen, mit dem Bus für kommende Nacht hier stehen zu bleiben. Eine bessere Aussicht finden wir sicherlich nicht.

Jetzt noch den Hefezopf backen und dann, wenn es nicht regnet, um zehn nochmal zum Miradouro laufen? Schade, dass es einmal mehr bewölkt ist. Wir hätten hier natürlich einen fantastischen Sternenhimmel. Sollten wir das tatsächlich machen, gibt es noch einen Nachtrag zu diesem Blogbeitrag.

Ist denn schon Ostern?

Traditionell werden am Ostersonntag Eier gesucht. Manche suchen an Gründonnerstag. Aber nach etwas anderem.

Wir sind zurzeit in der kleinen Ortschaft Elvas, nur wenige Minuten von der Grenze zu Spanien entfernt. Sie hat einen beeindruckenden Aquädukt und man kann hier den Unsinn studieren, den die Menschen durch alle Zeiten hindurch betrieben haben: Kämpfen und Kriege anzetteln. Elvas selbst ist als Festungsstadt angelegt, auf einem Hügel, mit einer zweireihigen Stadtmauer drumherum.

Doch damit nicht genug wurde im 18. Jahrhundert auf dem Nachbarhügel eine Festung angelegt, in der Truppen stationiert wurden, die Angreifer, Spanier und später Franzosen, mit ihren Kanonen fernhalten sollten. Bauherr war ein Graf von Lippe, der sich für den Bau von einer Festung in Norddeutschland inspirieren ließ. Ja, es gab richtige Trends. Als Dank bekam er von den Portugiesen ein paar Kanonen geschenkt…

Wie auch immer. Die haben damals solche Eseleien gemacht, wir heute.

Von der sternförmig angelegten Festung wollten wir nämlich unbedingt ein Drohnenfoto haben. Für den Blog. Für Euch. Klar, ne. Obwohl es windig war, obwohl eine Warnung vom Drohnensystem kam. Ein paar Minuten geht es gut, dann reagiert die Drohne nicht mehr auf Achims Befehle, winkt ihm noch einmal kurz zu und verabschiedet sich in die Freiheit. Wir hinterher. Runter von der Festung, querfeldein, bis wir mit Hilfe von OsMand einen Pfad hinunterfinden. Zwei Kilometer bis zum Ziel.

Schließlich hat sie uns Koordinaten geschickt, kurz bevor sie im Irgendwo gelandet ist.

Der Weg ist sogar ganz hübsch und ich bekomme noch eine extra Portion Geburtstagsblumen.

Wir nähern uns dem Bereich, in dem die Drohne mutmaßlich gelandet ist: eine große eingezäunte Blumenwiese, bewacht von einem kläffenden angeketteten Hund. Wir suchen und finden Stellen im Zaun auf dem Nachbargrundstück, über die wir klettern können, hebeln noch ein Tor auf, dann sind wir auf dem Grundstück.

Und suchen Ostereier, äh, die Drohne. Eine Stunde lang. Meter für Meter. Doch leider, leider erfolglos. Versenkt. Futsch. Adios!

Wir machen uns auf den Weg zurück in die Stadt. Zwei Kilometer und es beginnt zu regnen. In einer Taverne, die gerade schließen will, ergattern wir zwei Kaffee und zwei Barhocker. Dann geht es weiter. Sagte ich schon, dass Selvas auf einem Hügel liegt?

Gegen vier erreichen wir endlich das Café Paula und gönnen uns feine Pastels de Nata und Orangentörtchen. Google meint, das Museum für moderne Kunst, in das ich so gerne wollte, habe noch bis 18 Uhr auf. Also los. Eine Stunde ist ja besser als nichts.

Aber nein! Im Winter, also bis Ende März, wird schon um fünf geschlossen.

Gut, dass es noch das Fotografiemuseum gibt. Das hat sogar bis halb sieben geöffnet. Meint Google. Das hat überhaupt nicht geöffnet. Gitter davor. Abgesperrt. Zu. Niemand da.

Der Wind reißt mir fast meinen Schirm aus der Hand. Geburtstagstelefonate werden vom Glockengebimmel übertönt. Wenn die Glocken nicht läuten, hört man Radiomusik aus Lautsprechern, die einige Straßen in der Innenstadt beschallen.

Wir flüchten in einen offenen Imbiss und trinken ein Bier. Dann machen wir uns auf die Suche nach einem guten Restaurant, das uns empfohlen worden war. Geschlossen. Es stehen keine Öffnungszeiten dran. Auf zum nächsten Lokal. Wir werden immer nasser. Zu. Keine Ahnung, wann es aufmacht. Dritter Versuch, gleiches Ergebnis.

Wenn der Weg vom Camper ins Zentrum nicht so steil wäre, wenn es nicht fast zwei Kilometer wären, wenn es nicht so doll regnen würde, dann könnten wir uns umziehen, ein bisschen ausruhen und später nochmal losgehen. So aber lassen wir es gut sein.

Erst sind wir ein bisschen traurig und frustriert über diesen wenig erfreulichen Verlauf dieses (Geburts-) Tages. Dann wird es doch noch ein schöner Abend mit Steaks aus dem Tiefkühlfach, ein bisschen Rotwein und viel Innigkeit.

Am nächsten Morgen verlassen wir Portugal und fahren in die spanische Einsamkeit der Extremadura.

Vor vier Jahren waren wir schon mal am Monumento Natural Los Barruecos, gleich um die Ecke von Cáceres. Heute zieht es uns erneut in diese spektakuläre Felslandschaft entlang der Ufer natürlicher Seen mit brütenden Weißstörchen.

Wir laufen zwei Stunden durch diese unter Naturschutz gestellte Landschaft, die Sonne scheint, die Störche fliegen über uns hinweg oder klappern in ihren Nestern.

Die Idylle wird unterbrochen, als wir eine Abkürzung nehmen wollen, klettern müssen und nasse Füße bekommen. Achims Gang übers Wasser gehört aber schon wieder zum regulären Weg.

Zu guter Letzt gibt es noch eine Überraschung für uns: der deutsche Aktionskünstler Wolf Vostell (1932 – 1998) und seine Frau Mercedes kauften hier 1976 die ehemalige Wollwäscherei und richteten ein Museum mit seinen Werken ein.

Es ist recht gut besucht, wir staunen über das Gebäude und die Exponate und trinken noch ein Glas Wein im Museumscafé.

Der Busparkplatz ist leer. Außer uns keiner da, deshalb bleiben wir heute Nacht hier stehen.

Bem-vindo a Portugal

Etwas wehmütig nehmen wir Abschied von Óscar, halten bald wieder an, um Dünen, Klippen, einen alten Baum und eine noch ältere Stadt anzuschauen und landen schließlich in Santo Estevao, einem kleinen Dorf, etwa 40 Kilometer hinter der portugiesischen Grenze. Aber der Reihe nach.

Unser Ruhetag in Óscars kleinem Idyll in Matalascañas am Atlantik wird von seiner Einladung unterbrochen,  ihn bei seinem Strandspaziergang zu begleiten. Den macht er jeden Tag auf der Suche nach Strandgut: „See, this is my supermarket“, grinst er und schiebt einen gut erhaltenen Pinsel in seine Hosentasche. Im Laufe der nächsten Stunde kommen Hölzer und Wurzeln in bizarren Formen und vor allem Korallen in weiß, rosa, gelb und braun hinzu. Die finden wir in Büscheln von Gestrüpp, die auf dem Sand liegen. Man kann sie ganz einfach daraus lösen.

Ich habe ein schönes Foto von Óscar als Strandschrat gemacht – leider ist es auf seinem, nicht auf meinem Handy. Achim trägt die gefundenen Korallen in Óscars Strohhut heim. Dort zeigt er uns die kleinen Kunstwerke, die er aus den Fundstücken fertigt, zum Beispiel ein Holz, in das er mehr als 50 Tiere geschnitzt und gemalt hat und Korallen, die er auf bunt bemalten Steinen befestigt hat.

Wir tauschen noch Apfelkuchen gegen Orangen aus seinem Garten (die besten!), am Morgen dann kisses, hugs and be happy und los geht’s.

Schon nach wenigen Kilometern halten wir wieder an und laufen auf einem elegant geschwungenen Holzsteg in die Dünen hinein. Es ist ganz neblig heute Morgen und der Duft von Ginster liegt in der Luft.

Weiter geht es, bis wir beim Örtchen Mazagon auf ein Hinweisschild zu einer 400 Jahre alten Pinie stoßen. Ach, vorbeigefahren. Es ist nicht viel Verkehr und drüben bei der Bushaltestelle kann man gut wenden. Wir suchen ein bisschen, laufen zum Strand runter, durch eine kleine Schlucht, vorbei an Sandsteinklippen, wieder zurück zum Parkplatz.

Nochmal genauer bei google maps gucken, dann entdecken wir den Baum auf der anderen Seite der Straße. Ein wahrer Methusalem. Den muss ich auch noch drücken.

Gegen Mittag erreichen wir Huelva und erhalten eine Lektion mit der Überschrift „Du darfst dem Internet nicht alles glauben“. So steht es dort geschrieben: „Huelva, eine wunderschöne Küstenstadt im Südwesten Spaniens, gehört zu den reizvollsten Reisezielen Andalusiens. Die aufsehenerregende Gemeinde, die vor 3.000 Jahren gegründet wurde, gilt als Standort pittoresker Kirchen und Plätze, die einen Einblick in die Geschichte dieser bedeutenden Handelsstadt gestatten.“ Liegt auf dem Weg, gucken wir uns natürlich an.

Hm, ja, ganz nett hier, aber auch viele Neubauten mitten in der Altstadt und der angeblich allerschönste Platz, die Plaza de la Palmeria, ist nur von neuen Häusern umgeben. Müssen wir nicht verstehen. Achim glaubt ja, dass den Text im Internet die Pressesprecherin geschrieben hat. Ha! Verleumdung!

Wir trinken einen Kaffee, suchen uns noch eine billige spanische Tankstelle und sind eine halbe Stunde später an der portugiesischen Grenze.

Unser Ziel ist Tavira, eine Kleinstadt, die nicht direkt am Meer liegt, was aber mit dem Rad gut erreichbar ist. Wir fahren zum Stellplatz: voll. Zum Campingplatz: geschlossen. Also fahren wir noch ein paar Kilometer weiter ins Land und landen auf Rouis‘ privatem Stellplatz, zwischen Obst- und Olivenbäumen. Ist schön hier. Willkommen in Portugal! Die Algarve liegt vor uns.

In den Dünen von Doñana

Wir haben gestern Abend unsere kleine Robinsonade am Strand von Matalascañas gefunden. Óscar hat hier ein kleines Grundstück am Strand, auf dem wir für zehn Euro am Tag stehen dürfen.

Gegen Mittag gehen wir an den Strand. Wenn wir wollten, könnten wir 30 Kilometer rüber nach Osten, bis zur Mündung des Guadalquivir, laufen.

Dieser immense Strand wird vom Atlantik auf der einen und Dünen, die Teil des Nationalparks sind, auf der anderen Seite eingerahmt. Sie bilden den größten Dünenkomplex Europas mit aufeinanderfolgenden Dünenzügen, die parallel zur Küstenlinie verlaufen.

Damit ist unser Bild vom Nationalpark Doñana und der Vielfalt seiner Ökosysteme nun komplett.

Wir laufen noch ein ordentliches Stück am Strand entlang, barfuß, die Füße im Wasser.

Dann kehren wir um, der am Vormittag gebackene Apfelkuchen wartet auf uns. Und mein Krimi. Und einfach Nichtstun, nur aufs Meer gucken.

Gegen Sonnenuntergang kommt Óscar auf einen Plausch vorbei, massiert uns ein bisschen und zeigt Achim noch eine spezielle Übung, die gut ist für den Schulter und Nackenbereich.

Morgen bleiben wir auch noch hier. Einfach so. Genießen.

Im Nationalpark Doñana

Um halb sieben klingelt der Wecker. Aufstehen, Kaffeewasser aufsetzen, waschen, anziehen, frühstücken. Es ist leise im Bus, denn das ist, seitdem wir nicht mehr arbeiten, nicht gerade unsere bevorzugte Aufstehzeit. Um halb acht nehmen wir die Räder und fahren zum verabredeten Treffpunkt in El Rocío. Es wird gerade hell.

Wir haben eine Bustour in den Nationalpark gebucht. Denn das ist die einzige Möglichkeit, hinein zu kommen. Leider gibt es heute nur eine in Spanisch. Sergio, unser Führer, erzählt im Verlauf der kommenden vier Stunden sehr viel über den Park und über Flora und Fauna. Nur, wir verstehen so gut wie gar nichts. So ein Jammer.

Trotzdem bekommen wir einen Eindruck vom Reichtum des Parks und der Vielfalt seiner Fauna und Flora.

Wir sehen Hirschkühe,

den schwarzen Milan, mit einem Fisch in den Fängen,

ein Rothuhn, das wir bisher noch gar nicht kannten,

und sogar Kraniche.

Einmal mehr trauern wir vor einer ausgetrockneten Lagune.

Sie wird immerhin von vielen, vielen Störchen und dem Osterhasen besucht.

Der Doñana-Nationalpark ist nicht nur Spaniens wichtigstes Feuchtgebiet, sondern dient Millionen von Zugvögeln als Heimat, Winterdomizil und Rastplatz auf ihren Wanderungen zwischen Europa und Afrika.

Ob man, wie dies bei Wikipedia bereits geschieht, davon in der Vergangenheit schreiben muss? Jedenfalls wird hier überdeutlich, wie empfindlich solche Ökosysteme sein können und wie rasch sie zerstört werden können.

Wir sind nur noch knapp 20 Kilometer vom Atlantik entfernt. Bis dort geht der Nationalpark und hier zeigt er sich von einer völlig anderen Seite – die wir morgen erkunden wollen.

Wir haben ein wunderbares Plätzchen in Matalascañas gefunden. Näher am Wasser geht nicht.

Zwischen Sand und Wasser

Auf dem Campingplatz in El Rocío ist noch alles normal. Ich bin fast ein wenig enttäuscht, hatte ich doch erwartet, dass es hier, am Rande des Nationalparks Doñana, etwas ursprünglicher sei. Außergewöhnlich ist allenfalls, dass es nur hubbelige Sandwege gibt, die vom letzten Regenguss teilweise ein bisschen matschig sind.

Wir ziehen uns feste Schuhe an und machen uns auf in den Ort. Aber was ist denn das für ein Ort?

Weiße zweistöckige Häuser mit bunten Fenster- und Türfassungen und großen überdachten Veranden stehen in Reih und Glied, dazwischen breite Sandwege und immer wieder eine kleine Kirche.  Pferdekutschen fahren durch den Ort, wir sehen zwei Reiter, die ihr Bier vor der Kneipe trinken. Im Sattel natürlich.

Was wie eine Geisterstadt wirkt, weil nahezu alle Häuser unbewohnt sind, erwacht einmal im Jahr zum Leben. Zu Pfingsten laufen, reiten oder fahren an die hundert Bruderschaften in den Ort und ziehen in diese ihre Häuser ein. Die Wallfahrt in El Rocío zu Ehren der Jungfrau Maria gehört zu den größten religiösen Festen in Spanien.

Neben der Kirche beginnt das Marschland, in dem sich seltene Vögel wie Löffler, Sichler und Flamingos wohlfühlen. In dem Gebiet soll es auch Luchse und Hirsche geben. Letztere sehen wir tatsächlich am anderen Ufer, recht weit weg, aber ein großes Rudel von etwa zehn Tieren.

In den 54 000 Hektar großen Nationalpark darf man nur mit einer geführten Tour. Die heben wir uns für morgen auf. Heute wollen wir mit den Rädern in die Infozentren am Rande des Naturparks, der eine 26 000 Hektar große Pufferzone bildet. Eine Straße führt nach Süden, links von uns ist der eingezäunte Nationalpark, rechts der Naturpark.

Unser erster Stopp ist das Besucherzentrum La Rocina. Ein Bohlenweg führt zu den unter Wasser stehenden Marschgebieten, die durch das Schwemmland im Mündungsbereich des Guadalquivir entstanden sind. Für Naturliebhaber wurden viele Beobachtungshütten gebaut.

Und die Objekte der Begierde sitzen fast direkt vor den Ferngläsern und Fotoapparaten: Sichler, Löffler, jede Menge Gänse und Enten, ein Storchen-Hochhaus und in größerer Entfernung zwei iberische Kaiseradler. Da schlagen die Herzen der Vogelfreunde höher.

Ein bisschen traurig wird es dann zwölf Kilometer weiter südlich. Wir hatten schon davon gehört, hofften aber, dass es dieses Jahr anders sei: die Marsch ist weiter südlich rund ums Infozentrum Acebuche trocken gefallen. Seit dem bisherigen Rekordsommer 2022 gibt es hier kein Wasser mehr. Kein Wasser, keine Vögel. Auch hier gibt es einen sehr gepflegten Holzweg, alle paar Meter steht eine strohbedeckte Hütte als Beobachtungsstand, aber: es ist nichts mehr da zum Beobachten.

Der Grund ist in der allgemeinen Wasserknappheit zu finden, aber auch in den verschiedenen Interessenslagen. Teile des Naturparks werden seit Jahrzehnten als Erdbeerplantagen genutzt. Hierfür sind große Mengen an Wasser erforderlich. Der WWF Spanien geht von Wasserentnahmen aus mehr als 1000 illegalen Brunnen aus.

Wir fahren zurück nach El Rocío. Hier ist noch genügend Wasser im Marschland. Heute Abend sehen wir nicht nur die üblichen Vögel sondern auch halbwilde Pferde im Wasser. Was für ein Anblick.

Wir sind gespannt, was wir auf unserer morgigen Safari noch alles sehen werden. Um acht geht es los.